Ingo Löchel: Frau Möller, können Sie den Lesern des Online-Magazins kurz etwas über Ihre Person erzählen?
Lara Möller: Ich wurde 1978 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung zur Schifffahrtskauffrau gemacht und anschließend rund fünf Jahre bei einem Hamburger Schiffsmakler gearbeitet. 2006 bin ich für zehn Monate nach Australien und Neuseeland verschwunden.
Die Zeit als Rucksacktouristin war ein krasser Gegensatz zu meinem vorherigen Leben. Ich habe auf einer Rinderranch beim Viehtrieb geholfen, Orangen gepflückt und für eine Firma außerhalb von Melbourne gearbeitet, die Maschinenteile verkauft hat.
Seit meiner Rückkehr arbeite ich wieder hauptberuflich in der Schifffahrt und schreibe in meiner Freizeit. Obwohl mein Fokus auf den Krimis liegt, unternehme ich gelegentlich Ausflüge in die SF und die postapokalyptische Welt von Maddrax. Außerdem reise ich gern und halte mich mit Fitnesstraining, Fahrrad fahren und Metal-Konzerten in Form.
Ingo Löchel: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Lara Möller: Ich schreibe seit meiner Kindheit. In der Grundschule Kurzgeschichten über den Familienurlaub oder unsere Katzen, ab der fünften Klasse Abenteuergeschichten. Mein erstes ‚Buch‘ habe ich mit etwa vierzehn Jahren in Angriff genommen. Inspiration dazu war der Film ‚Solar Babies‘, in dem eine Gruppe Jugendlicher in einer postapokalyptischen Welt überleben muss.
Aus heutiger Sicht ein eher alberner Film, aber damals hat er meine Phantasie beflügelt. Auf einer alten Schreibmaschine habe ich angefangen, die Geschichte einer Jugendbande in einer kargen, unfreundlichen Zukunftswelt zu schreiben. Beendet habe ich die Geschichte leider nicht. Die rund hundert Seiten, die ich zu Papier gehämmert habe, liegen wohlbehütet in einer Schublade.
Ingo Löchel: 2001 gaben Sie mit dem „SHADOWRUN“-Roman „ASH“ ihr Roman-Debüt. Wie kam es dazu?
Lara Möller: In der siebten, achten Klasse habe ich durch einen Freund das Rollenspiel für mich entdeckt. Der Einstieg war klassisch Das Schwarze Auge. Nach gut zwei Jahren bin ich zu ShadowRun gewechselt. Von einer mittelalterlichen, recht zahmen Phantasiewelt in eine dreckige, gewalttätige Alternativversion unserer Erde.
Ich war fasziniert von diesem Universum, in dem Magie und Technologie Seite an Seite existierten. Ich spielte Kriminelle, die gegen Bezahlung Verbrechen begingen und sich mit rivalisierenden Teams und mächtigen Konzernen anlegten.
Nebenbei las ich viele der begleitenden Romane, die im ShadowRun-Universum spielten. Einige gefielen mir gut, doch die meisten waren enttäuschend. Oberflächliche Plots, blasse Charaktere oder einfach schlecht geschrieben. Ich war mir sicher, es besser zu können (ganz bescheiden).
Obwohl ich mitten in der Ausbildung steckte, fing ich an zu schreiben. Das Ergebnis war ‚Ash‘. Ich habe das Manuskript an den Wilhelm Heyne Verlag geschickt und abgewartet. Einige Monate später erhielt ich Post von einem kleinen Verlag namens Fantasy Productions. Heyne hatte das Manuskript an FanPro weitergeleitet, weil die beiden Verlage damals im Rollenspielsegment zusammenarbeiteten. Und FanPro war tatsächlich interessiert. Der Beginn einer jahrelangen Zusammenarbeit.
Ingo Löchel: Worum geht es in dem SF-Roman?
Lara Möller: Bei ShadowRun gibt es neben den Menschen auch sogenannte Metamenschen, also Orks, Trolle, Zwerge, Elfen etc. Einige rassistische Gruppierungen betrachten die Metamenschen als minderwertig und gehen radikal gegen sie vor.
Ash ist Sänger einer Metalband namens ‚Devil’s Playground‘. Durch ihre metamenschenfreundliche Einstellung gerät die Band ins Visier von Rassisten, die einen Anschlag auf Ash verüben. Daraufhin holt er sich Unterstützung aus den Schatten, um sein Leben und das seiner Bandkollegen zu schützen.
Quickshot ist ShadowRunner. Nach einem heiklen Job findet er sich auf der Abschussliste eines Konzerns wieder. Er sollte untertauchen, aber persönliche Verpflichtungen halten ihn davon ab. Dadurch gerät auch er in Lebensgefahr. Mehr möchte ich zur Handlung nicht erzählen, weil sonst zu viel verraten wird.
Ingo Löchel: 2003 und 2005 wurden mit „FLYNNS WEG“ und „QUICKSHOT“ zwei weitere „SHADOWRUN“-Romane von Ihnen veröffentlicht. Sind das Einzelromane oder Fortsetzungen des Buches „ASH“?
Lara Möller: ‚Flynns Weg‘ ist ein Einzelroman, der in Hamburg spielt. Bei ‚Quickshot‘ handelt es sich um eine Fortsetzung von ‚Ash‘.
Ingo Löchel: 2018 erschien mit „CHRISTOPHER DIECKS – PRIVATDETEKTIV“ ihr erster Kriminalroman (der 2022 unter dem Titel „SPUR DES TODES“ neu aufgelegt wurde). Worum geht es darin?
Lara Möller: Christopher ,Topher‘ Diecks wohnt im Herzen von St. Pauli. Er kellnert im Restaurant seines Stiefvaters, arbeitet für ein Umzugsunternehmen und hilft gelegentlich in einer Privatdetektei aus. Die wunderbare Romy hat sein Herz erobert, doch er traut sich (noch) nicht, es ihr zu sagen. Während einer Hausräumung findet Topher rätselhafte Unterlagen, die sich als Beweise für zahlreiche Verbrechen entpuppen.
Durch seine Nachforschungen kommt er einer internationalen Bande auf die Spur, die ihre kriminellen Machenschaften um jeden Preis vertuschen will. Eine mysteriöse zweite Partei ist ebenfalls an dem belastenden Material interessiert. Topher gerät zwischen die Fronten und muss um sein Leben fürchten.
Ingo Löchel: Wie würden Sie Ihren Protagonisten, den Privatdetektiv Christopher Diecks, beschreiben? Ist er ein bodenständiger Typ mit Ecken und Kanten?
Lara Möller: Topher ist ein Lebenskünstler mit viel Herz. Der freundliche Junge von nebenan, der stets hilfsbereit ist, anfangs leicht naiv in Gefahrensituationen stolpert und seine Nachforschungen mit Neugier und Hartnäckigkeit vorantreibt. Er ist kein hartgesottener Actionheld und setzt Gewalt nur im absoluten Notfall ein.
Ingo Löchel: Mit was für Fällen beschäftigt sich Diecks?
Lara Möller: Im ersten Teil deckt Topher – wie oben erwähnt – die illegalen Machenschaften einer internationalen Verbrecherorganisation auf. Im zweiten Teil geht es um die Suche nach einem vermissten Mädchen, und um ein Bauunternehmen, das nicht nur sprichwörtlich Leichen im Keller hat.
In Teil Drei wird Topher von einer Bekannten gebeten, eine Serie von Diebstählen in Musikbunkern aufzuklären. Bald wird klar, dass es um viel mehr geht, als gestohlene Musikinstrumente. Die Nachforschungen führen in gefährliche Kreise und offenbaren düstere Familiengeheimnisse.
Ingo Löchel: Nach dem Kriminalroman „SPUR DES TODES“ folgten die beiden Fortsetzungen „UNTER DEM EIS“ (2019) und „DUNKLES SPIEL“ (2022). Sind damit die Krimi-Abenteuer mit Christopher Diecks abgeschlossen oder sind für die nahe Zukunft weitere Romane mit dem Privatdetektiv geplant?
Lara Möller: Ich würde gern einen vierten Teil schreiben. Allerdings hängt das von der Entscheidung des Verlags ab, ob ein weiterer Krimi gewünscht ist. Bis dort Klarheit herrscht, widme ich mich anderen Projekten.
Ingo Löchel: Wieso eigentlich der Wechsel von SF zum Krimigenre?
Lara Möller: Es war tatsächlich ein Wechsel vom Cyberpunk zur SF zur Fantasy und dann zum Krimi / Thriller. Mit gelegentlichen Ausflügen in die SF. Und nun auch zu Maddrax.
Die ShadowRun-Romane waren mein Einstieg in die Schriftstellerei. Es hat mir viel Spaß gemacht, sie zu schreiben. Die begleitenden Regelwerke lieferten klare Vorgaben und Informationen, die mir als unerfahrener Autorin das ‚World-Building‘ und die Charaktererschaffung ungemein erleichterten. Irgendwann wurde mir aber eben jenes Korsett lästig.
Ich fühlte mich durch all die Regeln zunehmend in meiner Kreativität gebremst. Außerdem erwarteten / verlangten die Leser, meist selbst aktive Rollenspieler, gewisse Archetypen und Handlungsstränge, was ermüdend wurde. Die Zeit war gekommen, etwas neues auszuprobieren.
Meine Wahl fiel auf die SF. Ich lese zwar kaum Romane in dem Genre, doch ich mag zahlreiche Serien und Filme. Also habe ich in den folgenden Jahren SF-Kurzgeschichten und einen SF-Roman geschrieben. Der Roman war / ist qualitativ leider nicht gut genug, um ihn zu veröffentlichen (was ich zu ändern gedenke). Danach kam der Wechsel zur Fantasy.
Mit einem Vampirroman, weil ich Vampire seit meiner Jugendzeit liebe. Der Roman sorgte – nett formuliert – für Erstaunen auf Seiten meiner damaligen Literaturagentur. Es handelt sich um Gay Romance und war somit nicht das, was man erwartet hatte oder vermarkten wollte. Also habe ich mir selbst einen Verlag gesucht und der Agentur gekündigt.
Der Vampirroman hat mir gezeigt, was längst hätte klar sein sollen: Ich wollte Krimis schreiben. Neben der Liebesgeschichte spielt auch eine Kriminalgeschichte eine große Rolle. Einer der Vampire ist Hobbydetektiv und seine Nachforschungen tragen einen wichtigen Teil zur Lösung des Falles bei.
Abgesehen davon, lese ich seit meiner Jugendzeit Krimis und gucke ständig Krimiserien und -filme. Manchmal braucht es länger, bis man die offensichtlichen Dinge kapiert. Wie ja – im Nachhinein betrachtet – auch klar ist, warum ich bei Maddrax gelandet bin.
Ingo Löchel: Was unterscheidet Ihrer Meinung nach Ihre „CHRISTOPHER DIECKS“-Romane von anderen Werken des Krimi-Genres?
Lara Möller: In vielen Detektivserien wird der Hauptcharakter als grummeliger Einzelgänger dargestellt. Meist ein ehemaliger Polizist, geschieden oder in Trennung lebend, Ehefrau und Kind(er) entfremdet, er sitzt abends allein zu Hause oder in der Kneipe, ist ausgebrannt / depressiv / traumatisiert, und bricht auch gern Gesetze oder Knochen, um in einem Fall voranzukommen.
Nicht falsch verstehen, ich mag die Sorte von Privatdetektiv sehr! Einige meiner Lieblingsreihen handeln von genau diesen Typen. Aber es gibt bereits genug von ihnen. Deshalb habe ich Topher Diecks bewusst anders entworfen. Er ist ein Familienmensch, hat ein Netzwerk von Freunden und Bekannten, liebt das Leben und verabscheut Gewalt. Er ist der normale Junge von nebenan, der allmählich zum Privatdetektiv wird und dabei einige harte Lektionen lernt.
Ingo Löchel: Wie kam es zur Mitarbeit an der Serie „MADDRAX“?
Lara Möller: Vor einigen Jahren hat mich Florian Hilleberg (Ian Rolf Hill) für das Literaturportal Literra interviewt. Damals wurde mein Thriller ‚Detroit Driver‘ zum ersten Mal veröffentlicht (als ‚Detroit Undercover‘). Vor rund drei Jahren fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, einen Maddrax-Roman zu schreiben. Ich hatte von der Serie noch nie gehört.
Nach einer längeren Erklärung fand ich die Idee grundsätzlich interessant, war aber durch meinen Vollzeitjob und eigene Buchprojekte lange Zeit komplett ausgelastet. Im vergangenen Jahr tat sich dann eine Lücke zwischen zwei Projekten auf, und ich habe mir diesen Maddrax näher angesehen.
Die wilde Mischung aus Action, Fantasy, Horror, SF und das postapokalyptische Setting gefielen mir unverändert. Also bin ich mit dem Verlag in Kontakt getreten und habe ein sehr schönes Gespräch mit Michael Schönenbröcher geführt.
Anschließend habe ich intensiv recherchiert, um mir das nötige Basiswissen anzueignen. Die Zusammenarbeit mit Florian Hilleberg (Ian Rolf Hill) beim Zweiteiler hat mir den Einstieg natürlich enorm erleichtert. Schließlich weiß er genau, wie der Hase läuft.
Ingo Löchel: 2023 erschien nach „RULFANS RÜCKKEHR“ und „DAS LETZTE GEFECHT“ (die Sie zusammen mit Ian Rolf Hill verfasst haben) mit „DER TEMPEL“ der erste „MADDRAX“-Roman, den sie im Alleingang geschrieben haben.
Gibt es irgendwelche Vorgaben seitens des Bastei Verlages, an die sich die Autoren der Serie beim Schreiben ihrer Romane halten müssen?
Lara Möller: Abgesehen von alleinstehenden Abenteuern, wie z.B. dem Rulfan-Zweiteiler, bauen die meisten Romane innerhalb des jeweiligen Zyklus aufeinander auf. Es gibt einen grundsätzlichen Handlungsbogen, der beachtet und vorangetrieben werden muss.
Wichtige Ereignisse aus vorherigen Romanen dürfen nicht vergessen werden und nachfolgende Romane werden vorbereitet. Das beinhaltet gründliche Vorausplanung und Abstimmung. Schließlich geht es darum, die Geschichte trotz zahlreicher Autoren schlüssig weiterzuerzählen.
Ingo Löchel: Gibt es eigentlich Exposé zu den Romanen der Serie oder entwickelt jeder Autor seine eigene Geschichte?
Lara Möller: Wie oben erwähnt, gibt es in jedem Zyklus einen Handlungsbogen, den es zu beachten gilt. Bei den Romanen selbst schreibt der jeweilige Autor das Exposé.
‚Der Tempel‘ schließt direkt an Band 600 ‚Amraka‘ von Ian Rolf Hill an. Ich kannte also das Grundsetting, wusste, welche Charaktere definitiv vorkommen sollen, und dass ich gewisse Ereignisse unterbringen und weiterführen muss. Die Suche nach Aruula, die Entdeckung der Nimitz und ihrer Bewohner, die roten Diamanten, die erste Begegnung mit den Einheimischen etc pp.
Daraus habe ich ein Exposé für eine Abenteuergeschichte entwickelt. Dabei hatte ich jede Menge Freiheit und konnte viele schöne Ideen einbringen. Wie z.B. den Jaguar, das unterirdische Labor und die Ereignisse im Tempel. Nach der nötigen internen Abstimmung und ein paar Änderungen stand schließlich das endgültige Exposé und ich konnte loslegen.
Ingo Löchel: Wird es weitere „MADDRAX“-Romane von Ihnen geben? Ist diesbezüglich schon etwas geplant?
Lara Möller: 2023 wird definitiv noch ein Maddrax-Roman von mir erscheinen. Allerdings auf meinen Wunsch hin erst im Herbst. In der Zwischenzeit widme ich mich einem anderen Schreibprojekt.
Ingo Löchel: Haben Sie literarische Vorbilder, die Sie bei ihren Romanen beeinflusst bzw. inspiriert haben?
Lara Möller: Im Bereich Krimi und Thriller sind es Raymond Chandler, Dashiell Hammett, Craig Russell und Adrian McKinty. Bei der Fantasy definitiv Terry Pratchett, dessen Scheibenweltromane ich alle mehrfach gelesen habe.
Ingo Löchel: An welchen weiteren Romanprojekten arbeiten Sie zur Zeit? Können Sie den Lesern des Online-Magazins dazu schon etwas verraten?
Lara Möller: Mein aktuelles Projekt ist der oben erwähnte SF-Roman. Obwohl er seit Jahren in der Schublade liegt, hat mich die Geschichte nie losgelassen. Deshalb habe ich beschlossen, den Roman komplett zu überarbeiten. Die Ideen sprudeln bereits und ich werde nach der Recherchephase demnächst mit dem Schreiben beginnen.
Ingo Löchel: Frau Möller, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Die Romane von Lara Möller
Shadowrun
- Ash (2001)
- Flynns Weg (2003)
- Quickshot (2005)
Maddrax
- 592 Rulfans Rückkehr (mit Ian Rolf Hill) (2022)
- 593 Das letzte Gefecht (mit Ian Rolf Hill) (2022)
- 601 Der Tempel (2023)
Privatdetektiv Christopher Diecks
- Spur des Todes (2018)
- Unter dem Eis (2019)
- Dunkles Spiel (2022)
Alec Boyd
- Detroit Driver (2019)